(Gemeinde-Nachrichten)
Gymnasium Bammental / Theaterverein Goukelkappe
Beeindruckend gutes Schultheater bekam man in der letzten Schulwoche am Bammentaler Gymnasium zu sehen. In Zusammenarbeit mit dem Theaterverein Goukelkappe e.V. präsentierte die Theater-AG der Schule „Frank Stone" von Herbert Schoppmann, eine moderne, komödiantische Frankenstein-Variante, die in einer Bearbeitung von Stefanie Bittner und Garsten Müller-Donhuijsen als ein Cocktail aus Gentechnik, Geltungsdrang, Schönheits- und Jugendwahn inszeniert wurde. Der angesehene Molekularbiologe Frank Stone (von Thorben Knobloch grandios, bisweilen diabolisch und doch so menschlich verkörpert - ein Fall für die Schauspielschule?) hat, wie sein berühmter Vorfahr, einen Lebenstraum: er will den perfekten Menschen schaffen. Da er aber moderner Wissenschaftler ist, hat er mit der veralteten Leichenschnippelei rein gar nichts mehr zu tun: sein Arbeitsplatz ist der Computer und seine Materialien Reagenzgläser.
Seine beiden Gehilfen, Jeremias und Arthur (Miriam Saalfrank und Lena Malkus genial witzig und spritzig, sich gegenseitig zum Amüsement des Publikums ergänzend), können sich damit aber überhaupt nicht anfreunden. Alle naslang schleifen sie auf lehmverschmierten Sohlen eine auf dem Friedhof geklaute Leiche ins Haus und sind enttäuscht darüber, dass ihr Boss sich nicht freut und sie lobt... Zusätzlich sitzt ihm seine „Perle" (neudeutsch wahrscheinlich „Personal Assistant") Victoria im Nacken (beinahe beängstigend glaubhaft und stets Lachmuskeln strapazierend: Jana Mechler), die im Stoneschen Haushalt zwar unentbehrlich ist, sich dafür aber auch ein gebührendes Mitspracherecht herausnimmt.
Mit in seinem Haus wohnt seine Ex-Frau Elisabeth (überzeugend gespielt von Sioned Rück als optimale Mischung aus süß und clever) mit ihrem neuen Mann, Rolf, der von ihm selbst geschaffenen Kreatur (Christian Puterity als liebenswertes, an mangelndem Selbstbewusstsein leidendes Monster). Außerdem wird er dauerverfolgt von der Schauspielerin Carola von Seckendorf (mit erotischer Ausstrahlung, die sicher nicht nur Frank in ihren Bann zog: Bianca Schaffner), die sich, weil sie nur noch alte Schachteln spielen darf, von Frank die gentechnisch erzeugte ewige Jugend erhofft. In dieses Gruselkabinett platzen abwechselnd der mit Baldrian gedopte und doch ewig nervöse Inspektor (Benjamin Zeidler vereinte erfolgreich das Mitleid des Publikums auf sich - spätestens bei Carolas Abfuhr hätten ihn sicher einige Zuschauerinnen liebend gerne getröstet) und die Heilige Schwester (mit verdientem Szenenapplaus für Meret Cepero-Malo für die Kombination aus Liebenswürdigkeit, Dreistigkeit, Weltfremdheit und ihr Spiel mit dem Publikum), die auf Seelenfang (und ein kleines bisschen neugierig...) ist. Ach ja, zwei beinahe erwachsene Kinder hat Frank auch noch, die ebenfalls Papas moderne Genpanscherei im Gegensatz zur „Handarbeit" ziemlich uncool finden: Eric (Johannes Dörfer speziell als „Sterbedesigner" im zweiten Akt überzeugend - so muss Frank Stones' Sohn sein und nicht anders) und Juliane (hatte ihren selbstgewählten Platz als Beobachterin in der Familie, garniert mit Teenager-Zicken: Elena Gembe). Für Überraschungseffekte (sie saßen unter den Zuschauern - man wusste nie, wer gleich noch alles aufstehen und mitspielen würde), die Aufklärung des Publikums und eine Verbindung des absurden Geschehens auf der Bühne mit der Realität sorgten Menschen aus den Randgruppen der Gesellschaft: ein Penner (hochphilosophisch mit tollen Ideen - nicht mal ihm schmeckte der Wein aus der Wasserkiste: Benjamin Krauß), ein Punk (textsicher, sprachlich sicher, absolut authentisch: Johanna Miller - ist sie im echten Leben wirklich einer?) und drei Prostituierte (Lena Lun, Johanna Echner und Sarah Müller ließen Männerherzen höher schlagen...). Sehr zum Entsetzen des Publikums rastete eine der Prostituierten plötzlich aus, als sie sich wieder auf ihren Platz auf den Zuschauerrängen setzen sollte: Lena Lun war mit ihrer Rolle unzufrieden, wollte endlich auch einmal auf der Bühne spielen und riss sich von ihren Kolleginnen los, um hinter der Bühne mit der Regie weiterzudiskutieren, während die restlichen Schauspieler geschickt wurden, um die Bühne für die nächste Szene vorzubereiten... Ein toller Regiekniff, wie sich herausstellte, denn in just dieser nächsten Szene sollte sich herausstellen, dass Lena Lun den Text von Martha, der Schwester von Carola von Seckendorf, wie hinter der Bühne ausgehandelt worden war, bereits perfekt beherrscht! Eines Tages passiert es: Frank produziert die perfekte Menschheit. Durch einen Unfall. Sein Brutbeschleuniger explodiert, sämtliche manipulierten Gene fliegen frei in der Luft herum und verändern im Eiltempo die Erbanlagen aller Lebewesen. Alle sind schön, glücklich, gebildet, angstfrei; jedes Gemüse sieht gleich aus, jeder Wein schmeckt gleich. Nur: merken tut das keiner, weil die Einbildungskraft dank gentechnischer Tabletten jedem das vorgaukelt, was er sich wünscht. Als Zuschauer fragt man sich, wie man sich selbst fühlen würde, wäre man einer von denen... Es bleibt aber nicht bei Friede, Freude Eierkuchen: es arbeiten sich nach und nach doch wieder die typischen Konflikte an die Oberfläche, getrieben von Eifersucht, Leidenschaft, Sehnsucht und Gewohnheit, gegen die die stärksten Genpillen nicht helfen. Die menschliche Individualität, auf die in der Inszenierung besonders viel Wert gelegt wurde, lässt sich eben (und Gott sei Dank) nicht dauerhaft unterdrücken. Ein unterhaltsames Stück mit Aussage! Erheblich zum Erfolg des Stückes beigetragen hat die mitreißende Spielfreude der gesamten Gruppe, das beeindruckende, gruselige Bühnenbild (Kunstlehrer Herr Daigger), gruselige Requisiten, fiese Farbkombinationen, passende Kostüme und die fachliche Unterstützung des Theatervereins Goukelkappe e.V., der sich für die aufwändige Maske (Rebecca Mannott), stimmungsweisende Licht- und Tontechnik und eine Hälfte der spürbar kreativen Spielleitung verantwortlich zeichnete. Mit Hilfe finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport über den Amateurtheaterverband Baden-Württemberg wurden die vier Aufführungen von „Frank Stone" zum nachhaltigen Volltreffer.
(Miriam Falkenberg)