» Startseite    » News    » Stücke in Arbeit    » Chronik    » Presse-Archiv    » Links    » Kontakt & Impressum   

Login:

Nickname:

Passwort:


::
[ anmelden ]





 
 Chronik

 Schickt Schokolade » zurück zur Gesamt-Liste 
Autor: Theater AG Gymnasium
Regie: Steffi Bittner
C. Müller-Donhuijsen
Aufführungsort: Bammental, Neue Mensa
Zeitraum: 2013-07-19 bis 2013-07-22

» Kritik
» Bildergalerie (25)
 


 Kritik 
(Rhein-Neckar Zeitung 23. Juli 2013)
Theater in Bammental: Das Ich ist bunt, das Volk ist grau
Bammental. Stellwände mit Stacheldrahtgirlande, die für die Betonelemente der Berliner Mauer stehen, fünf Aluminiumtische, Pappkartons zum Sitzen, bunte T-Shirts mit der Aufschrift "Ich", graue mit der Aufschrift "Volk". Die "Ichs" drängen sich vor, jeder will seine Meinung sagen. Auf der anderen Seite gibt die "Partei" die Meinung vor. - Man will es kaum glauben, aber bei dem Stück "Schickt Schokolade oder: Da gab's mal 'ne Mauer in Berlin!?" handelt es sich um eine Eigenproduktion, nämlich um eine der Theater-AG des Gymnasiums und des Theatervereins Goukelkappe. Die jungen Schauspieler wechseln teils mehrfach die Rollen und in dem sehr persönlich gestalteten Programmheft charakterisieren sich die Akteure gegenseitig.
Spielszene vor der stilisierten Mauer mit Stacheldraht: Klebeband bringt die lauten Stimmen des Gewissens zum Schweigen. Foto: Hebbelmann

Die mit den grauen T-Shirts sitzen aufgereiht und mit leerem Blick an den Tischen, führen wie am Fließband stereotype Handgriffe an roten Plastikbechern durch und erzeugen dabei einen monotonen Rhythmus. Als alle Becher durchgereicht sind, stehen sie auf, singen die SED-Lobeshymne "Die Partei hat immer Recht". Dabei werden sie immer lauter und schreien schließlich wütend durcheinander: "Denn wer kämpft für das Recht, der hat immer recht, gegen Lüge und Ausbeuterei!" Da ertönt der Arbeitsgong und einstimmig beteuern alle: "Natürlich sind wir hier frei!" Es sind starke Bilder, die collageartig montiert werden. Zwischen den Szenen erklingt die Internationale, in immer neuen Versionen und Sprachen.

In den folgenden Szenen wird gezeigt, wie die Mauer Familien, Liebende und beste Freundinnen auseinanderreißt. "Es war alles so perfekt. Kann es dort so viel besser sein?", fragt Anke (Lea Steinebrey), deren Familie in den Westen aufbricht. Ihr Freund (Philip Fleckner) will im Osten bleiben. Der Chor der Verliebten begleitet ihren Abschied. "Ich wollte immer für dich da sein", beteuert die beste Freundin (Nici Walter), doch das Waisenkind (Toni Bauer) hat keine Wahl. Mutter (Linda Ibanez) und Vater (Marvin Fritz) sind gerade am Packen, als die Tochter (Saskia Zumbach) vorzeitig vom Parteitag heimkommt und vom Vorhaben der Eltern überrascht wird.

Beim Schulausflug nach Berlin sehen die Schüler mit an, wie Republikflüchtling Peter Fechter (Raphaela Dörfer), von mehreren Schützen getroffen wird und um Hilfe ruft. "Freiheit ist echt das Wertvollste was es gibt. Aber die in Freiheit leben, wissen das nicht", sagt er in einem virtuellen Rückblick. Der Grenzsoldat (Christyn Herrmann) bringt die lauten Stimmen seines Gewissens mit Klebeband zum Schweigen.

Im Westen ist nicht alles besser. Anke wird in der Schule als "Ossi" gemobbt, die Mutter bekommt aufgrund ihrer "Vorbelastung" als Lehrerin keine Stelle. "Irgendetwas fehlt", stellt der Vater fest. "Ich fühle eine unglaubliche Leere in mir, die vorher nicht da war." Da hilft es auch nichts, dass es die zuvor heiß begehrte Schokolade im Überfluss gibt.

Ein "Running Gag" lockert die ernste Materie auf: Als erfolgloser Flüchtling mischt Kirstin Lawerenz das Publikum auf und sorgt für Heiterkeit im Saal der neuen Mensa. Sie kriecht zeternd und mit Grubenlampe und Schaufel bewaffnet, Reihe um Reihe unter den Stühlen der Zuschauer hindurch und taucht schließlich vor der Bühne auf. "Ich bin jetzt im Westen", freut sie sich aufatmend, bis das Scheinwerferlicht auf die DDR-Flagge trifft. "O scheiße, ich hab' in die völlig falsche Richtung gebuddelt!" Ein anderes Mal legt sie die Luftmatratze auf die Köpfe der Zuhörer, die auf diese Weise die Spree spielen müssen und klettert tatsächlich darauf.

Beim Assoziieren zum Begriff "Mauer" fallen Sätze wie "ein schönes Dorf" und "David Hasselhoff brachte die Mauer zu Fall". Dessen "Looking for Freedom", das er am Brandenburger Tor gesungen haben soll, erklingt zur ausgelassenen Wiedervereinigungsparty, die unterbrochen wird von den mit gefühlvoller Geigenmusik untermalten privaten Wiedervereinigungsszenen.

Die Beteiligten mit ihrem Regieteam Carsten Müller-Donhuijsen und Stefanie Bittner werden für die gelungene Aufführung und die starke Produktion begeistert gefeiert.

(Sabine Hebbelmann)