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Chronik
| (Gemeinde-Nachrichten, 20. Mai 1988)
(in gekürzter Form: Rhein-Neckar Zeitung, 21. Mai 1988)
Goukelkappe spielt Molière
Der Bammentaler Theaterverein „Goukelkappe“ ist per se schon ein Phänomen. 1985 gegründet zählt er inzwischen ca. 40 Mitglieder, von denen fast 30 aktiv sind. Diese Zahlen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht sonderlich beeindrucken, zeigen ihre Bedeutung, wenn man bedenkt, daß es sich um einen Verein handelt, der sich voll und ganz dem Laienspiel verschrieben hat. Die meisten der Mitglieder sind junge Leute aus verschiedenen Berufsgruppen, Student/Innen, Handwerker/Innen, Lehrlinge u. a. Eine vergleichbare Vereinigung in einem Ort mit ca. 5.000 Einwohnern dürfte, wenn überhaupt, selten zu finden sein.
Der Theaterverein „Goukelkappe“ ist hervorgegangen aus dem evang. Jugendkreis Bammental. Michael Mende, auch heute eine der Stützen des Vereines, kam auf den guten Gedanken, mit den Jugendlichen Theater zu spielen. Er schrieb selbst ein Dialektstück („D'doppelt Einnahmequell"), das Anfang der achtziger Jahre seine erfolgreiche Uraufführung erlebte. Nachdem es zunächst nach einer Eintagsfliege ausgesehen hatte, versuchte Mende nach einer Zeit, an das Theaterprojekt wieder anzuknüpfen und wartete erneut mit einem eigenen Dialektstück auf („Der Zauberer vom Bammertsberg"). Der Erfolg gab ihm recht, und damit war „Goukelkappe" aus der Taufe gehoben. „Die Horrenberger Erbschaft" (ins Kurpfälzische übersetztes schwäbisches Mundartstück) blieb im Rahmen der bisherigen Aufführungen, bis „Goukelkappe" sich für dieses Jahr entschied, es mit einem Klassiker zu versuchen. Mit Molières „Der Geizige" hat man sich da sicher nicht vergriffen: diese Komödie, wie auch einige andere Molières, hat heute schon beinahe den Charakter eines Volkstheaterstückes, und der Theaterverein tat gut daran, sich von der Bezeichnung „Klassiker" nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen. Am 6. und 7. Mai 1988 fanden die Aufführungen des „Geizigen" in der alten Turnhalle Bammental statt, beide Male vor einem zahlreich erschienenen, engagiert mitgehenden Publikum. Die - es sei gleich gesagt: gelungene - Regie lag diesmal in den Händen von Waltraud Vögele; Michael Mende spielte seine große komödiantische Begabung überzeugend in der Hauptrolle des Harpagon aus.
Harpagon, Vater einer verliebten Tochter (Elise, gespielt von Andi Müller) und eines eitlen, gleichfalls verliebten Sohnes Clemente, Felix Theato), ist ein alternder Geizkragen, der weder sich selbst, geschweige denn seine Kinder oder sonst jemandem, etwas gönnt. Sein einziges Interesse und seine ganze Liebe gelten dem Geld (eine Art barocker Dagobert Duck). Valere (Kay Leibert), heimlicher Geliebter der Elise, stammt eigentlich aus reichem Haus, verdingt sich aber als Diener bei Harpagon, um seiner Geliebten nahe zu sein. Cleante liebt Mariane (Gabi Vögele), die bei ihrer kranken Mutter lebt. Harpagon seinerseits will aber nun Marianes Gatte werden. Zu diesem Zwecke bedient er sich Frosines – in ihrem sicheren Auftreten sehr gut gespielt von Heide Beck – als Kupplerin, die sich von Harpagon finanzielle Hilfe für einen Prozeß erhofft, vergeblich natürlich. Clemente steht sein Bursche La Fleche (Uwe Lay) zur Seite, ein gewitzter Kerl, der seinem Herrn durch allerlei Leihgeschäfte aus der Klemme zu helfen versucht. La Fleche ist es auch, der durch den Raub der vergrabenen Geldkassette Harpagons diesen dazu bringen kann, auf Mariane zugunsten seines Sohnes zu verzichten. Der Streit der „unteren Chargen“ – mit Meister Jacques, dem Kutscher und Koch Harpagons (Kurt Lay) – entscheidet Valere, der zunächst in falschen Verdacht gerät, die Geldkassette gestohlen zu haben, für sich. Allerdings mit der Hilfe des Himmels, der Monsieur Anselme (Rudolf Müller), den verschollenen Vater Valeres und Marianes, in Harpagons Haus führt, wodurch Valere aus seiner Dienerrolle und dem Verdacht durch den Kommissar (Odil Endres) endlich entlassen ist. Die jungen Paare finden sich, Anselme ist bereit, für alles finanziell aufzukommen. Harpagon interessiert fürderhin wieder nur seine zurückgewonnene „Geliebte (Kassette)“.
Die Truppe „Goukelkappe" hat den Zuschauern einen köstlichen Komödienabend bereitet. Man hebt ungern einzelne heraus, aber neben dem die Szene beherrschenden Hauptdarsteller konnte besonders Uwe Lay in der Rolle des La Fleche mit seinem völlig ungehemmten, frischen Spiel gefallen.
Heide Beck kam m. E. am besten von allen Spielern mit den Passagen zurecht, in denen andere Akteure im Vordergrund stehen und man auf der Bühne die Szene dennoch mitgestalten muß. Andi Müller und Gabi Vögele hatten es mit den sehr undankbaren Rollen der jungen Damen nicht leicht, da diese wenig Raum für spritzige Einlagen lassen. Um so schöner, daß sie sich darin so sicher bewegen konnten. Felix Theato zeigte schön die gelangweilte Arroganz des meist auf sein Äußeres konzentrierten Cleante. der endlich die Chance zur Offensive gegen den Vater sieht. –
Der ganzen Gruppe muß man aber gratulieren zu einer gelungenen Ensemble-Leistung. (In den weiteren Rollen agierten Christel Herold-Mende als Harpagons Haushälterin Frau Claude, Andreas Werle und Verena Bosch als die Lakaien Brindavoine und La Merluche). Nicht zu vergessen das professionelle Bühnenbild, die Maske, Kostüme und die Beleuchter. Auch hieran zeigte sich nämlich, was ein gut organisierter Theaterverein zu leisten vermag.
Mathias Ohler |
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