|
Chronik
| (Gemeinde-Nachrichten, 4. April 2003)
Undine Derniére
Zum letzten Mal senkte sich am Sonntag der Vorhang für „Undine"; die letzten Klänge von Robert Bittner und seiner Live-Band schwingen noch nach und nur widerwillig kehre ich aus meinen Träumen in die Wirklichkeit zurück. Als „Märchen mit Musik" präsentierte sich dem Publikum eine Geschichte um bedingungslose Liebe und innere Reinheit, wie man sie selbst in der Pseudo-Realität innerhalb des Stückes nicht kannte oder gar für möglich gehalten hätte. Lena van Bebber alias Undine verkörperte diese Werte hingebungsvoll in den verschiedensten Facetten, sei es in naiv anmutender Faszination angesichts ihres angebeteten oder in dem so verzweifelten wie erfolglosen Versuch, ihre Gefühle durch einen vorgetäuschten Seitensprung zu verleugnen. Es erschiene mir fehl am Platze, an dieser Stelle den kompletten Inhalt des Stückes wiederzugeben oder jeden Darsteller einzeln beim Namen nennen zu wollen. Für mich als Zuschauer entstand der Eindruck einer hervorragenden Teamleistung, bei der es mir ausgesprochen schwer fällt, Einzelne zu nennen und andere somit tot zu schweigen, nur weil sie vielleicht eine weniger dankbare Rolle hatten.
Dessen ungeachtet möchte ich einige Einzelheiten hervorheben, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind: Kay Leibert alias Hans von Wittenstein möchte ich nicht unerwähnt lassen, der als Spielball zwischen der Versuchung durch gleich drei Nixen (Ilana Miller, Carolin Jakoby und Nicole Tomschi, letztere übrigens in ihrer femininsten Rolle, soweit ich mich erinnern kann), der Eifersucht seiner ehemaligen Verlobten (Steffi Bittner) und seinen eigenen Gefühlen für Undine glaubhaft zu vermitteln vermochte, dass ein Ritter zwar ein Ritter aber eben auch nur ein Mensch ist. Da wäre aber auch die Spannung zu nennen, die Hofmarschall Didi Haßmann zu erzeugen vermochte: In welchem Maße würde sich Undine in ihrer Unvoreingenommenheit wohl bei ihrer Einführung am Hofe dem König gegenüber ins Fettnäpfchen setzen? Und siehe da, wie unkompliziert kann Monarchie doch sein, wenn der König (Rainer Lochthowe) sich trotz all des Brimboriums um ihn herum doch als so fest mit beiden Beinen auf der Erde darzustellen vermag. Unter die Haut ging mir jedoch die Darstellung von „mutterseelenallein inmitten von Menschen" - Dutzende von Bediensteten bringen an und um Undine alles auf Hochglanz und doch empfindet sich ausgerechnet die, die eigentlich im Mittelpunkt stehen könnte, als Fremdkörper - im einen Moment allein zwischen den Standbildern ihrer Diener und im nächsten bedroht von eben diesen.
Nach unzähligen Stücken der unterschiedlichsten Genres wagte die Goukelkappe mit Jean Giraudoux's “Undine" unter der Regie von Marion Neubauer und Waltraud Vögele den Vorstoß in einen Bereich, der zu Recht als nicht ganz einfach gilt, verbinden sich doch mit dem Begriff Musical in unserer gleichermaßen schnelllebigen und anspruchsvollen Zeit Assoziationen zu Produktionen wie „Phantom der Oper", „Tanz der Vampire" oder wie sie alle heißen mögen. Sich mit ihnen messen zu wollen, lag sicher weder vom Budget, noch den Gesangsausbildungen, noch den technischen Gegebenheiten solcher Bühnen in ihrer Absicht. Wozu auch? Es ging doch mit bedeutend weniger und wer es - wie die insgesamt etwas über 1000 Zuschauer in fünf Aufführungen - gesehen hat, wird wie ich wissen, was andere verpasst haben!
Einen kleinen Fauxpass hat sich der Theaterverein allerdings zuschulden kommen lassen. War es Zynismus oder nur Gedankenlosigkeit, ausgerechnet bei diesem Stück Fischbrötchen in allen Variationen als Pausensnack zu reichen? Arme Undine!
(Andreas Wirtherle) |
|
|
|