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 Chronik

 Ein Inspektor kommt » zurück zur Gesamt-Liste 
Autor: John B, Priestley
Regie: Christel Herold-Mende
Aufführungsort: Bammental, ev. Gemeindehaus
Zeitraum: 1993-09-03 bis 1993-09-04

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 Kritik 
(Gemeinde-Nachrivhten, 17. September 1993)

Glänzender Theaterherbst-Auftakt
Der Theaterverein versuchte seinem breitgefächerten Anspruch gerecht zu werden und eröffnete am vorvergangenen Wochenende den Bammentaler Theaterherbst mit einem ernsten Stück. Priestleys „Ein Inspektor kommt" gehört zu den wirklichen Theaterklassikern, dennoch ist das Stück alles andere als leicht umzusetzender Bühnenstoff. Es spielt im England des beginnenden 20. Jahrhunderts, die Figuren sind hölzern, das Geschehen wird fast ausschließlich über Dialoge und Monologe transportiert. Das Stück droht allzuleicht zum „Bühnenhörspiel" zu werden. Die Mitspieler, die zum größten Teil auch „Sturmwind"-Akteure waren, hatten auf den Ostalbspieltagen in Aalen eine Inspektor-Inszenierung gesehen, die sie ziemlich schockierte und den 1. Vorstand entsetzt ausrufen ließ: „Um Gottes Willen, kürzt mir das Ding zusammen, daß uns niemand einschläft!" Doch es schlief niemand ein, ganz im Gegenteil, die Zuschauer, die viel zahlreicher erschienen waren, als für diesen ernsten Auftakt erwartet, waren begeistert: „Das Beste, was ihr je gespielt habt!", war mehrfach zu hören. Ganz abgesehen davon, daß solche vergleichenden „Komplimente" in den Reihen der Goukelkappe nicht so gerne gehört werden, liegt die Verantwortung für diese positive Resonanz sicher in einer Hand: Christel Herold-Mende lieferte mit dieser Inszenierung ihr vorläufiges Regie-Meisterwerk. Sie war in die Regie-Arbeit gekommen, weil gerade niemand da war, der den Job machen wollte (ja, so etwas gab es bis vor kurzem noch bei der Goukelkappe) und hatte ohne weitere Ausbildung einige Erfolge (Arsen und Spitzenhäubchen, die Schneekönigin. . .) auf die Bühne gebracht. Auf den Ostalbspieltagen traf sie auf Theaterprofis aus den unterschiedlichen Genres. Die Ex-Sportlerin stellte Fragen und absorbierte gerade die Kritik der Profis konstruktiv. Was das Publikum intuitiv positiv bewertete, hatte die Regisseurin in Aalen in kürzester Zeit gelernt und in der eigenen Arbeit umgesetzt. Es läßt sich beim Namen nennen: Optimale Raumwege, Ausfüllen des Raumes, Bälle zuspielen, Spannungsbogen erfassen, - die Kritik soll nicht in Theatertheorie ausarten, darum hier eine Auseinandersetzung mit dem letzten der aufzuführenden Punkte: Rollenarbeit! „Der hat genau auf die Rolle gepaßt." ist ein „Kompliment", das man im Laientheaterbereich immer wieder hört. Es wäre hier unmöglich gewesen, denn auf diese Rollen einer etabliert-bürgerlichen Kapitalistenfamilie der Jahrhundertwende konnte kein Jugendlicher der Jetztzeit passen. Die besten Voraussetzungen hatte noch Kai Leibert als Familienvater durch seinen dezenten Bierbauch. Nein - Spaß beiseite, es war gelungen einem Ensemble klarzumachen: „Du kannst alles spielen!". Nehmen wir die Mutter, Mrs. Birling, eine ältere distinguierte Dame, 19 Teile vornehme aalglatte Fassade, l Teil durchschaubares Wesen, - genau in dieser Zusammensetzung brachte Marion Neubauer diese Dame, und zwar so, daß das Publikum sowohl die Persönlichkeitszusammensetzung ablesen als auch auf der 5%igen Wesensbühne die eigentlichen Reaktionen erkennen konnte, Wie nah die 17jährige Marion dieser Rolle stand? Der Räuberhauptmann aus der Schneekönigin im letzten Jahr war Marion auf den Leib geschrieben! Er und Mrs. Birling stehen von den Charakteren her so weit auseinander und waren dennoch so treffend gespielt, daß man Marion Neubauer fortan sicher zu den „Stars" der Goukelkappe wird zählen dürfen. Ein Kompliment in diesem Zusammenhang an Rosy Kraft, die mit ihrer Kindergruppe professionelle Schminkarbeit leistete.
Thomas Leiber als angehender Schwiegersohn Gerald Croft stand seiner Rolle noch am nächsten. Er wie auch der Vater (Kay Leibert) leisteten das, was die Rollen verlangten voll und ganz. Gewiß, es gab subtilere Figuren mit mehr potentiellen Lorbeeren, doch sollte man die Wasserträgerfunktion nicht unterschätzen! Kay Leibert hängte mit dem erzkapitalistischen Mr. Birling den Rahmen aus, in dem sich die feineren Reaktionen der Jungen abspielten, und er tat dies souverän. Kay gehört zu jenen altgedien-ten Landsern der Goukelkappe, die man einfach hinstellen kann und die's bringen - kein Problem! Der Inspektor, rätselhafte Figur - taucht auf, deckt auf, verschwindet wieder - hat nie existiert - sauber gegeben von Benjamin Ditzel. Bewußt keine Gefühlsshow, monoton, bohrend, setzt den Preßluftmeisel an einigen wenigen tragenden Stellen des bürgerlichen Lügengebäudes an und bringt es zum Einsturz. Er hat die Regievorgaben sauber erfüllt, trägt wesentliche Anteile des Gesamterfolges. Eine wertvolle Neuerrungenschaft für die Goukelkappe - ob er noch mehr kann? Man darf gespannt sein! Die Königsrollen von Priestleys Stück sind sicherlich die beiden Kinder Eric und Sheila. In ihnen löst der Inspektor wirklich etwas aus, jedenfalls mehr als temporäre Verstörtheit. Tim Leiberts Entwicklung können die Goukelkappe-Fans (Sie gehören nicht dazu? In 2 Wochen gibt's den „Zauberer von Oos". Sie kommen doch!) authentisch beurteilen. Eine lineare Steigerung, die beim „Inspektor" exponentiell wurde. Er spielte den alkoholabhängigen Sohn der Familie so überzeugend, daß man immer dachte: „Gebt dem armen Kerl doch was zu trinken!" Dabei ist der eigentliche Akteur ein vorbildlicher Alkohol-Gegner und kriegt schon Kreislaufprobleme, wenn er nur die Spur eines Milchwagens riecht. Die Königin der beiden Abende war sicherlich Verena Bosch als Tochter Sheila Birling. Sie folgte einer ausgeklügelten Regie-Idee, die einiges erforderte. In bisherigen Inszenierungen des Stückes war Sheila ein jammerndes Häufchen Elend, dem außer der eigenen Schuld auch noch die Untreue des Verlobten bewußt gemacht wird. Die Goukelkappe (sprich Christel Herold-Mende)-Interpretation sah für Sheila eine Sinuskurve vor: Sehr wohl weinerlich betroffen, wenn es um die eigene Schuld geht, aber sofort wieder resolut und einsichtig (powernd) bei der Aufdeckung weiterer Schweinereien, insbesondere derer des Verlobten. Und in dieser Interpretation liegt laut Vorlage dermaßen viel Humor, daß gerade das Premierenpublikum am Freitag mehrfach in heftige Lacher ausbrach. Kompliment an die Regie für dieses saubere Subtilrisiko! Kompliment an Verena Bosch: Die Göre hat Theater im Blut, das muß man ihr neidlos zugestehen.
Kritik aus!