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Chronik
| (Gemeinde-Nachrichten, 26. Juni 1998)
(Rhein-Neckar Zeitung, 2. Juli 1998)
„Volpone“ ein Stück vom Erben und Sterben
Stefan Zweig nannte seinen „Volpone“ eine lieblose Komödie, aber nicht etwa, weil er sie lieblos hingeschmiert hätte, sondern weil sie nicht, wie viele andere Komödien, die Liebe zum Thema hatte. Um so liebevoller wurde das Stück jetzt vom Bammentaler Theaterverein Goukelkappe e.V. unter der Leitung von Uwe Lay und Edith Flory inszeniert und auf die Bühne der TV-Halle gebracht.
Die Geschichte ist denkbar einfach: Der reiche Levantiner Volpone (ital.: der Fuchs) findet ein diebisches Vergnügen daran, unter Ausnutzung der Habgier seiner Umgebung anderen eins auszuwischen und dabei auch noch sein eigenes Vermögen zu mehren. Nachdem er durch seinen Diener Mosca hat verbreiten lassen, er läge im Sterben und wolle seinen Reichtum unter den treuesten Freunden verteilen, sind die Erbschleicher rasch zur Stelle und werden zu heuchelnden Wohltätern, Der krankhaft eifersüchtige Kaufmann Vorvino verkuppelt gar seine hübsche junge Frau an den Levantiner, während der alte Wucherer Corbaccio seinen eigenen Sohn, den Capitano Leone, enterbt, um sein Vermögen dem Volpone zu vermachen, und die Hure Canina ihn noch auf dem Sterbebett zu ehelichen versucht. Doch dann heckt der alte Fuchs, seine letzte, größte Bosheit aus: Zum Schein setzt er seinen Diener als Alleinerben ein und läßt sich von ihm für tot erklären. Da wittert der Schmarotzer Mosca seine Chance: Er beruft sich auf die Rechtmäßigkeit des Testaments, eignet sich das Vermögen seines Herrn an und macht damit Volpone zum betrogenen Betrüger, der ohne einen einzigen Dukaten in der Tasche vor dem Galgen fliehen muß.
Stoff genug also für ein deftiges, volkstümliches Possenstück mit viel Klamauk und vorprogrammierten Lacherfolgen. Doch Uwe Lay und Edith Flory hatten sich für ein anderes Konzept entschieden — und der Erfolg gab ihnen recht. Was an drei aufeinanderfolgenden Abenden in der TV-Halle gespielt wurde, war eine ebenso subtile wie spannungsgeladene Inszenierung mit einer nahezu idealen Besetzung, die über drei Stunden hinweg die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln vermochte. Besonders Udo Hessenauer überzeugte mit seiner lebendigen, variantenreichen und textsicheren Darstellung des scharfzüngigen Schmarotzers Mosca, der vordergründig im Sinne seines Herrn Volpone agierte, dabei aber auch sein eigenes Interesse nicht aus dem Auge verlor. Michael Mende fühlte sich sichtlich wohl in der Rolle des alten Fuchses mit seiner ganzen Hinterlist und Boshaftigkeit. Daß man sich hin und wieder an seinen „eingebildeten Kranken" erinnert fühlte, lag wohl an der Ähnlichkeit der Figuren. Und Andreas Wirtherle schien die Rolle des Zinsleihers Corbaccio wie auf den hageren Leib geschrieben: Mit scharfer Stimme und konsequent durchgehaltener Körpersprache verlieh er diesem raffgierigen Charakter geradezu raubvogelhafte Züge. Auch die hier nicht namentlich genannten Darsteller begeisterten durch ihre Bühnenpräsenz, ihr nuanciertes, einsatzfreudiges Spiel und den sicheren Umgang mit Stefan Zweigs eigenwilliger, wortschöpferischer Sprache. Ein dramaturgisch geschickter Stückaufbau, sensible Regiearbeit, ein variables Bühnenbild, stilvolle Kostüme und ein attraktives Programmheft taten ihr Übriges zu einem rundum gelungenen Theatererlebnis, das mit lang anhaltendem Beifall belohnt wurde.
Noch eine Bemerkung am Rande: Weder das Stück selbst noch die Inszenierung haben es verdient, wie ein derber Bauernschwank — noch, dazu ohne Autor! — angekündigt zu werden, in dem es im Grunde nur um „das eine" geht. Da hätte ich mir etwas mehr Fingerspitzengefühl gewünscht — oder steht dahinter etwa der Gedanke, das Bammentaler Publikum sei nur auf eine solch plumpe Art ins Theater zu locken?
(J. Gräbener-Müller) |
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